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Das Verhältnis von Philosophie und Theologie im Denken von Hans Heinz Holz

16. Hacks-Gespräch - Zum Werk von Hans Heinz Holz

 

Das Verhältnis von Philosophie und Theologie im Denken von Hans Heinz Holz

[in: Christoph Hubig / Jörg Zimmer (Hg.): Unterschied und Widerspruch. Perspektiven auf das Denken von Hans Heinz Holz, Verlag Jürgen Dinter, Köln 2007, S. 117-138.

ISBN: 3-924794-48-0. INHALTSVERZEICHNIS: Christoph Hubig: Identität und Nichtidentität. Kleiner Kommentar zu Hans Heinz Holz’ »Koordinaten dialektischer Konstruktion«; Jörg Zimmer: Lógos akribés. Natur und Gehalt metaphysischer Modelle; Wolfgang Neuser: Dialektik, systematisch und historisch begründet; Francesc Xavier Bou Mas: Systematisches Denken und Politik. Zur Leibniz-Interpretation von Hans Heinz Holz; Angelica Nuzzo: Hegels dialektische Logik: »absolute Idee« und Weltbegriff; Alfred J. Noll: Hans Heinz Holz’ Kritik der Notstandsgesetzgebung 1964-67; Dieter Kraft: Das Verhältnis von Philosophie und Theologie im Denken von Hans Heinz Holz; Klaus Fuchs-Kittowski: Dialektik und Kybernetik des Lebenden und des Sozialen. Zur organisierenden Wirkung der Information und zur Ambivalenz der Wirkungen moderner Informationstechnologien; Helwig Schmidt-Glintzer: Das 17. Jahrhundert und die Anfänge der Wissenschaft von China in Europa; Hans Jörg Glattfelder: Die Konstruierbarkeit der Bilder; Rolf Wedewer: Hans Heinz Holz als Kunstkritiker; Peter Schweiger: »doch bleibt etwas erfreuliches zu berichten«. hans heinz holz als theaterkritiker; Lukas B. Suter: In Sachen Theater - zur Philosophie; Friedrich-Martin Balzer: Hans Heinz Holz als Publizist. Ein Zwischenbericht; Hans Joachim Albrecht: Gegen die totale Privatisierung der Kunst. Eine kleine Einlassung auf Hans Heinz Holz]

Man muß nicht unbedingt vom Wege abweichen, wenn man als marxistischer Philosoph das Feld der Theologie beschreitet. Für den Theoretiker Holz jedenfalls ist auch die Theologie eine theoria, die, wie alle Theorien, Denkstrukturen trägt und auch entbindet und eben darin noetisch kompatibel ist mit Philosophischem ganz allgemein. Konfession kann bei einem solchen Zugang natürlich nicht verrechnet werden. Das freilich macht es dem Theologen schwer, Diskurs zu führen mit einem Denken, das über sich selber nachdenkt, auch wenn es auf Übergreifendes zielt und Ontologisches als Voraussetzung reflektiert. Theologie ohne Bekenntnis bleibt reine Struktur, wird zum Allgemeinen, das ohne das Besondere bleibt. Der Philosoph weiß das Besondere im übergreifenden Allgemeinen gut aufgehoben; der Theologe, der biblisch-reformatorische, weiß davon gerade nichts. Für ihn steht und fällt das Theologische, ganz unvorsichtig gesagt, mit dem übergreifenden Besonderen.

„Error est dicere, sine Aristotele non fit theologus. Immo theologus non fit, nisi id fiat sine Aristotele.“ Denn: „Non potest homo naturaliter velle deum esse deum. Immo vellet se esse deum, et deum non esse deum.“ Der Philosoph muß sich mit Luthers Thesen aus der Disputatio contra scholasticam theologiam[1] nicht auseinandersetzen. Er wird sich, verständlicherweise, nachgerade dafür begeistern, daß es ausgerechnet Aristoteles ist, auf den die Theologie (die römisch-katholische!) so grundlegenden Bezug nimmt. Denn das verleiht ihr eine innere Konsistenz und Kontinuität, die es ihm möglich macht, nicht nur „Anknüpfungspunkte“ zwischen Philosophie und Theologie zu reflektieren, sondern in der Theologie dem Philosophischen selbst nachgehen zu können. Römisch-katholische Theologie lädt dazu geradezu ein.

Auch ohne eine solche Einladung würde ein Hans Heinz Holz an der Theologie und ihrer Geschichte niemals vorbeigehen, denn für ihn ist alles von Interesse, was jemals gedacht worden ist[2]. Und selbst das abwegig Gedachte kann auf Grundfragen führen. Daß die Theologie für Holz aber so abwegig gar nicht sein kann, versteht sich eigentlich von selbst für einen Philosophen, der in so besonderer Weise von Leibniz herkommt und mit Hegel weiterdenkt. Wie jede einzelne Monade - mehr oder weniger undeutlich - die Totalität aller Monaden repräsentiert, so repräsentiert auch jedes Gedankensystem, gleichsam als intellektuelle Monade, - mehr oder weniger unklar - die Totalität des Systematischen überhaupt. Und wie für Hegel die Geistesgeschichte kein Steinbruch ist, auf den das Denken ad libitum zurückgreifen könnte, sondern eine in sich zusammenhängende Entwicklungsgeschichte, die erst als solche das Denken überhaupt denkbar werden läßt, so gibt es auch für Holz in der Geistesgeschichte eo ipso keine auszusparenden oder gar zu ignorierenden Unerheblichkeiten. Erheblich ist für ihn eigentlich alles - nicht allein deshalb, weil es zum intellektuellen Selbstverständnis eines universal gebildeten Gelehrten gehört, den geistigen Horizont nach Maßgabe des Möglichen zu entgrenzen, sondern weil im Zentrum seines philosophischen Denkens die Frage nach der Einheit der Welt steht.

Holz ist derzeit, soweit ich sehe, der einzige Denker, der an dieser Frage nicht nur unbeirrt festhält, sondern nach Leibniz und Hegel nun auch einen materialistischen Zugang freigelegt hat, der Totalität in der Korrelation von Dialektischem und Systemischem als „metaphysisches“ Denkmodell „rationalisiert“.[3] Ein solches Unternehmen muß sich in ganzer Breite der Philosophiegeschichte auch dort vergewissern, wo sie als Theologiegeschichte in Erscheinung tritt, in der - unter anderen Prämissen, aber, aufs Ganze gesehen, durchaus analog - die Frage nach der (in „Gott“ gründenden) Einheit der Welt zu rein metaphysischen Denkmodellen geführt hat. Auch für Holz ist die Kategorie „Metaphysik“ unumgehbar. Weil der Begriff des „Ganzen“ alles Empirische übersteigt, kann er nur auf einer Metaebene gedacht werden. Und diese ist denknotwendig, um das „Einzelne“ in der Totalität seiner Beziehungen begreifen zu können. Das bedeutet: „Prinzipiell ist jede metaphysische Theorie, die eine Konstruktion der Totalität unternimmt, als ein solches Modell anzusehen und geeignet, den Charakter metaphysischer Modelle zu illustrieren.“ [4] Und es bedeutet zugleich: „Metaphysiken erweisen sich als Modellentwürfe, die im Entwurf ihren Gegenstand erst erzeugen - zwar nicht in seinem gegenständlichen Sein, wohl aber in seiner begrifflichen Gestalt“.[5]

Von diesem Ansatz her ist verständlich, daß Holz nicht allein den Ernst und die Leidenschaft, mit denen in der Theologie metaphysische Modelle entwickelt wurden, zu goutieren weiß und einen Thomas von Aquin mit großem Respekt als einen „ausgesprochenen Modellbauer“[6] apostrophieren kann, sondern diese Modelle auch benutzt, um in Auseinandersetzung mit ihnen seine eigene Konstruktion zu entwickeln, in der das Metaphysische von allem Irrationalen entbunden wird.

Auf dieser Ebene wird die Begegnung der Philosophie mit der Theologie unumgänglich und erschöpft sich nicht in der wiederholten Widerlegung der sog. Gottesbeweise. Für Holz’ spezifischen Umgang mit der Theologie ist ohnehin charakteristisch, daß er nicht auf bloße Widerlegung angelegt ist, sondern vielmehr auf Ausschöpfung eines systematischen Potentials, das von Holz im besten Sinne aufgehoben wird.

In einer Gesellschaft, in der man Philosophen inzwischen nach ihrem medialen Unterhaltungswert evaluiert und akademisch höchstens noch Philosophiegeschichte abrufen läßt, ist ein solcher Ansatz ungewöhnlich geworden. Und wahrscheinlich ist es gegenwärtig sogar singulär, daß er ausgerechnet von einem marxistischen Philosophen so prägnant festgehalten wird. Aber gerade mit diesem Ansatz verbindet sich bei Holz auch jene Perspektive, in der das philosophische Fragen von unmittelbarer Bedeutung für das gesellschaftliche Handeln wird, denn: „Philosophie ist ‚Orientierungswissenschaft’, in dem doppelten Sinne, daß sie uns zeigt, wie man sich im Denken orientiere (Kant), und daß sie als ‚rechte Planung’ (orthos logos) handlungsorientierende Funktion hat. Orientieren können wir uns aber nur im Blick auf den Zusammenhang, auf das Umfeld unserer eigenen Position, und da die Grenzen jedes Umfelds bei dessen Bestimmung immer weiter hinausgeschoben werden, nimmt jede Orientierung letztlich Bezug auf die spekulative Idee von Welt, von Totalität aller Bedingungen.“[7]

Zum dialektischen Ursprung der Theologie

Es gibt in der Theologie- und Kirchengeschichte kaum einen Bereich, den Holz im Interesse seiner philosophischen Fragestellung nicht auszuleuchten versucht hätte. Mit seiner intimen Kenntnis spätantiker Quellen und altkirchlicher Texte hat er sich selbst solchen Themen zugewandt, die üblicherweise nur von Kirchenhistorikern und Dogmengeschichtlern behandelt werden. Eine seiner jüngsten Studien trägt den Titel „Der dialektische Ursprung der Theologie aus der Apologetik“[8]. Ein für Holz bezeichnender Titel, denn natürlich ist er genuin an beidem interessiert, an der arche und an der Dialektik.

Holz geht in dieser Studie der Frage nach, wie es überhaupt zu einer theologischen Systembildung kommen konnte, denn „die urchristliche Verkündigung, deren Kanon uns ... im neutestamentlichen Textcorpus vorliegt, ist ganz und gar nicht auf Theologie angelegt.“[9] Mit dieser prononcierten These dürfte Holz durchaus auch auf Widerspruch stoßen, etwa in der Zunft der Neutestamentler, für die es ganz selbstverständlich eine „Theologie des Paulus“, „des Johannes“ etc. und insgesamt eine „Theologie des Neuen Testaments“ gibt, die exegetisch also gerade zu zeigen versuchen, daß die neutestamentlichen Autoren sehr wohl eine (z.T. sehr subtil angelegte) Systematik haben, ohne die sie auch gar nicht verstanden werden könnten.[10] Aber Holz hat - aufs Ganze gesehen - natürlich recht: der „Sprachduktus der Evangelien ist evozierend, d.h. er will Überzeugungen wecken, und appellativ, d.h. er will eine Haltung und ein Verhalten bewirken; er ist nicht argumentativ, d.h. er will nicht durch Begründung überzeugen.“[11] Jedenfalls nicht durch eine „rational“ nachvollziehbare und „logisch“ verifizierbare. Die alsbald von Verfolgung bedrohten und heimgesuchten frühchristlichen Gemeinden - unter durchaus begründbarem Verdacht, eine „Opposition gegen die Ordnung des Imperium Romanum“[12] zu bilden - verteidigen sich in der Tat nicht „argumentativ“, sondern: „die in der Lebenspraxis sich bewährende ethische Haltung, die Bereitschaft und Standhaftigkeit zum Martyrium, die Unerschütterlichkeit der persönlichen Glaubenseinstellung sind beweiskräftig für die Wahrheit. Nicht die logische Schlüssigkeit, sondern die Überzeugungskraft des Bekenntnisses bilden das Fundament der frühchristlichen Propaganda.“[13] „Das Zeugnis tritt an die Stelle der Sachgründe.“[14]

Mit diesem Befund beschreibt Holz eine in der Tat zentrale Differenz zwischen dem im NT vorherrschenden Zeugnischarakter und der später einsetzenden „intellektuellen“ Verteidigung des christlichen Glaubens. Und genau in diesem Zusammenhang kommt es schließlich auch zu jenem folgenschweren (um nicht zu sagen: verhängnisvollen) Bedeutungswandel, der sich im Verständnis von „christlichem Glauben“ vollzieht und wirkungsgeschichtlich bis in die Gegenwart hineinreicht. „Glauben“ - pistis, pisteuo - ist für das NT ein Zentralbegriff, dessen Besonderheit auch darin besteht, daß er fast ausschließlich einen Verhältnischarakter trägt. „Glauben“ heißt im NT vornehmlich „Vertrauen“ und „Treue“, „anvertrauen“ und „gehorchen“[15]. Hingegen wird in der späteren Dichotomie von „Glauben und Wissen“ die personale Verhältnisbeziehung der pistis weitgehend aufgegeben für ein Glaubensverständnis, das etwas für wahr zu halten vermag. Der pistis als einer personalen Verhältnisbestimmung korrespondiert ein bestimmtes persönliches Verhalten, dem „Glauben“ als einem auf „Sachgründe“ zielendes Bewußtsein korrespondiert das Streben nach Einsicht (fides quaerens intellectum).

Auch die frühchristliche Apologetik sieht Holz noch vorwiegend im Gefälle jener „Beweisführung“, die sich primär nicht auf „Sachgründe“ beruft, sondern auf das persönliche Zeugnis. „Nicht ein Beweisgrund, sondern das Martyrium verbürgt den Sieg der Wahrheit.“[16] Sogar noch den sog. Kirchenvätern attestiert er den Primat des Lebens vor der Lehre: „Selbst Origines, der als erster ein umfassendes theologisches Lehrgebäude errichtete, das sich in systematischer Gestalt darbot, hat das Tun Christi für beweiskräftiger gehalten als die Rede. Christus, der nach Matth. 26,59ff. vor den Anklägern schwieg, habe damit bekundet, ‚daß sein Leben und die unter den Juden vollbrachten Taten gewaltiger für ihn sprächen als eine Rede, die das falsche Zeugnis widerlegt hätte’. Ausdrücklich betont Origines, es komme darauf an, eine Lehre ‚nicht nur als wahr zu ‚beurteilen’, sondern sie auch zu ‚befolgen’ und dadurch als wahr zu erweisen’.“[17]

Der Systematiker Holz verbindet mit den Kirchenvätern vor allem natürlich die nunmehr entstehende Theologie im Sinne eines umfassenden Systems. Und weil er als Systematiker zugleich und immer auch historisch analysiert, ortet er den eigentlichen Ursprung dieser systematischen Theologie nicht etwa in einem idealen Selbstlauf der Gedanken, sondern er bezieht ihn auf den nach wie vor apologetischen Kontext, in dem die Kirchenväter allerdings anders re-agieren als die frühchristlichen Apologeten, nämlich nicht mehr nur verteidigend, sondern polemisch und attackierend, nicht mehr nur tröstend, sondern eher schon triumphierend und siegesgewiß. „Damit stellte sich nun aber zugleich eine neue Aufgabe. Es reichte nicht mehr, die Argumentationsmuster der klassischen Rhetorik aufzunehmen und nach ihnen die Verteidigungsrede zu gestalten. Vielmehr kam es darauf an, eine neue Linienführung der Argumentation zu entwickeln, die den Gehalten der christlichen Verkündigung angemessen war. Es genügte nicht, den Glauben gegen das kritische Denken zu stellen, die Legitimität des Glaubens mußte erwiesen werden - und beruht darauf, daß den Worten Jesu ein höherer Status gesichert werden konnte als denen jedes anderen Menschen. Der Mensch Jesus mußte, über den Rang jedes Propheten hinaus, zur Göttlichkeit des Christus Jesus gesteigert werden. Der Messias ... wurde nun ... zur Inkarnation der göttlichen Substanz. Die Ausbildung eines einfachen Glaubens zu einer systematischen Gestalt in einem neuen Diskurstypus erforderte statt der Rede zu Gott (des Gebets) eine Rede über Gott; die Theologie wurde geboren.“[18]

Daß der Ursprung der theologischen Systematik in der Apologetik (nicht zuletzt auch gegenüber den sog. „Häretikern“, insbesondere den gnostischen) zu suchen ist, ist in der Dogmengeschichtsschreibung opinio communis.[19] Aber Holz geht es auch nicht allein um die Frage nach dem Ursprung, sondern um dessen dialektische Konstellation, die vorzüglich bei dem Apologeten Tertullian eine theo-logische Entsprechung findet, was ihn für den Dialektiker Holz von ganz besonderem Interesse werden läßt. Daß sich die systematische Theologie ausgerechnet der Apologetik verdankt, Verteidigung also „umschlägt“ ins geschlossene System, stellt schon an sich einen eminent dialektischen Vorgang dar. Daß dieser Vorgang bei Tertullian sogar einen theo-logischen Reflexionshorizont erhält, hat für die spätere Ausbildung dialektischer Denkfiguren - vor allem in der Trinitätslehre - weitreichende Bedeutung. Holz liegt denn auch viel daran, das „Credo quia absurdum“[20] des Tertullian der Sphäre reiner „Advokatenrhetorik ..., die sich der Paradoxa als eines intellektuellen Reizmittels bedient“[21], zu entziehen und statt dessen festzuhalten: „Das für die opinio constituta Anstößige der christlichen Verkündigung muß aus sich selbst, aus ihrem kontradiktorischen Sinn begriffen und akzeptiert werden. Genau das soll das paradoxe quia bewirken, es evoziert nicht das Erstaunen über ein inopinatum, sondern macht auf ein der philosophischen Logik sich entziehendes, sie verkehrendes Denkverhältnis aufmerksam. Als ein Appell an das Umdenken des Gewohnten wird das Paradox zu einem Argument in der Beweisführung.“[22]

Präziser und authentischer läßt sich Tertullian kaum interpretieren. Und Holz’ Interpretation wirkt um so stimmiger, als sie die Denkmöglichkeit einer strukturellen Kommensurabilität von Philosophischem und Theologischem eher verlegt. Aber das ist kein Zufall, Tertullian war bzw. wurde Montanist, d.h. er gehört - gerade auch mit seinem konsequenten Chiliasmus - zu jener altkirchlichen „Reformbewegung“, die der urgemeindlichen Botschaft neue Geltung zu verschaffen versucht. Diese wird getragen von der Überzeugung (und von der Erfahrung!), daß das herrschend Weltsystem (gerade auch unter der Signatur des römischen Imperiums) einer Logik der Vernichtung und des Todes folgt, die als solche und ganz grundsätzlich und in jeder Beziehung umgekehrt werden muß. Diese Umkehrung ereignet sich in der Nachfolge Jesu als metanoia in der ekklesia, die sich als wirksame (Vor-)Form einer künftigen (eschatologischen, aber nicht jenseitigen) „Gegengesellschaft“ versteht, in der die Maximen „dieser Welt“ (aion toutos), des „alten Äons“ außer Kraft gesetzt werden - in der Zuversicht auf eine endgültige Errichtung der Herrschaft Gottes auf der ganzen oikumene - getragen von der pistis und also dem Vertrauen darauf, daß mit der Auferweckung Jesu, mit seiner Auferstehung die Todeslogik „dieser Welt“ tatsächlich schon überwunden ist. Das ist auch Tertullians Überzeugung: absurd ist eigentlich nicht diese pistis, absurd ist vielmehr die Logik einer Welt, die dem Leben zum Tode wird. Gegen die Herrschaft dieser Logik muß es kontradiktorisch heißen: Credo quia absurdum. Und das ist für Tertullian auch ein politischer Satz.

Trinitarische Dialektik

Die Trinitätslehre ist das erste Dogma der katholischen Kirche, das nach Maßgabe staatspolitischer Interessen definiert worden ist - unter dem Vorsitz eines (ungetauften) römischen Kaisers auf der von ihm 325 nach Nicäa einbestellten ersten ökumenischen Synode. Die kirchliche Dogmengeschichtsschreibung hat dieses skandolon nie thematisiert, sondern Nicäa stets als einen „Sieg der Kirche“ gefeiert. Philosophen müssen sich mit dieser das Nicänum belastenden Hypothek nicht auseinandersetzen, die für biblisch-reformatorische Theologie eigentlich noch problematischer ist als die in Nicäa sanktionierte Bindung des Christusbekenntnisses an Kategorien hellenistischer Philosophie.

Nur zu gut weiß auch Holz, daß der mit Nicäa wirkungsmächtig werdende Konstantinismus zu einer verhängnisvollen und bis in die Gegenwart reichenden Geschichte von „Thron und Altar“ emaniert ist. Und in seinem den Theologen Rosemarie Müller-Streisand und Hanfried Müller gewidmeten Band „Die große Räuberhöhle“[23] zeichnet er in sie facettenreich historische Details und gesellschaftliche Hintergründe ein, die diese Geschichte überaus anschaulich als Geschichte von Klassenkämpfen erhellen.

Um so bemerkenswerter ist es, daß und wie sich Holz um eine angemessene philosophische Interpretation der Trinitätslehre bemüht - ein Unternehmen, das in der marxistischen Philosophie m.W. ohne Beispiel ist. Publiziert ist seine Studie in der von Hanfried Müller herausgegebenen Zeitschrift „Weißenseer Blättern“ unter dem Titel: „Theologische und philosophische Dialektik: das Trinitätsproblem“[24].

Holz setzt ein mit der Feststellung: „Die Theologie und die Philosophie haben das gleiche Interesse, Aussagen über Transempirisches einsehbar zu machen. Daher stellt sich die Frage nach dem Verhältnis, in dem die Struktur spekulativer Sätze in der Theologie zur Struktur spekulativer Sätze in der Philosophie steht. Für die Erörterung dieser Frage eignet sich von theologischer Seite in eminenter Weise das Trinitätsproblem.“[25] „Die aporetische Formel ‚una substantia - tres personae’ (eine Substanz - drei Personen) hat im Lauf der Religions- und Kirchengeschichte zu zahlreichen einander widersprechenden Erklärungsmodellen geführt, in denen der logisch-methodologische Gehalt des Problems entfaltet wurde. Dieser begriffliche Gehalt ist auch für die profane Philosophie attraktiv“.[26]

Besonders attraktiv muß natürlich sein, daß in der Interpretationsgeschichte des Trinitarischen eben auch jene Vorstellung zur Geltung gebracht wurde, die als „Spiegel-Metapher“ für Holz selber eine ganz zentrale Kategorie seines eigenen philosophischen Denkens darstellt.[27] Nikolaus Cusanus hat in den Trinitätsgedanken eine Bewegung hineingebracht, die als Reflexionsverhältnis den Charakter einer sich spiegelnden Selbst-Reflexion trägt. Das Eine definiert sich immer nur im Verhältnis zum Anderen und ist damit zugleich auch dessen Anderes. Gott aber wäre nicht das alles umfassende Ganze, wenn er von Anderem definiert werden würde. So ist er das „Nicht-Andere“ (non-aliud), d.h. er ist nicht das Andere irgendeines Einen. Und dennoch ist selbst er definiert, nicht kraft eines Anderen, sondern durch sich selbst: „er muß sich von sich selbst unterscheiden, ohne verschieden zu werden. Gerade dies ist die logische Form der Trinität. Gott unterscheidet sich von sich und definiert sich als Gott (-Vater) durch sich als Gott (-Sohn); und das Verhältnis, in dem diese Unterschiedenen zueinander stehen - ein Selbstverhältnis Gottes -, ist der Logos, der nur wieder der Logos Gottes und also Gott selbst in seinem Verhältnis zu sich selbst ist, und das ist der Heilige Geist.“[28]

Für Holz ist diese Selbst-Reflexion immerhin eine „logisch zumutbare Fassung des Paradoxes“[29], die allerdings den Preis habe, daß „die Personalität der drei Personen zu kurz“ komme[30]. Das wird man sicher einwenden dürfen. Doch abgesehen von der unglaublichen Ferne zu biblischem Reden von Gott, der Cusanus zahlt für dieses trinitarische Konstrukt eigentlich einen noch weit höheren Preis. Indem er nämlich Gott selbst dem übergreifenden Prinzip der definitio unterwirft, verliert er jenen Begriff des Absoluten, den zu bewahren er gerade angetreten ist. Das von Übergreifendem diktierte Absolute verfehlt seinen Anspruch.

Gott muß sich nicht in einer Selbstunterscheidung definieren. Und es ist eben kein Zufall, daß das reformatorische Trinitätsverständnis Luthers gerade nicht von einem übergreifenden Gottesbegriff herkommt. Mit der nachdrücklichen Unterscheidung des Deus revelatus von einem Deus absconditus insistiert Luther darauf, daß „Gott an sich“ kein Thema evangelischer Theologie ist. Die sich daraus für das Verständnis des Trinitarischen ergebenden Konsequenzen führen für Holz verständlicherweise zu einem grundsätzlichen Desiderat. In Luthers Interpretation von Röm. 1,3f[31] gründe das Verhältnis zwischen Vater und Sohn lediglich auf einem „Einsetzungsakt“ (gleich dem der „Ernennung eines Stellvertreters oder Präfekten in der Staatsverwaltung“[32]) Aber: „Die Rede von der ‚Einsetzung’ Jesu als Gottessohn verträgt sich nicht mit der Formel ‚una substantia - tres personae’ (...). Denn sie schließt eine - nicht nur zeitliche, sondern auch graduelle - Nachordnung des Sohnes gegenüber dem Vater ein.“[33]

Gleichwohl sieht Holz auch bei Luther die gegenläufige Doppelbewegung eines Spiegelverhältnisses, mit dem Luther an der inseperabilis aequalitas der ersten und zweiten Person der Trinität festzuhalten versuche[34]. „‚Secundum Carnem’ (dem Fleische nach) entäußert sich Gott in den Menschensohn Jesus aus dem Geschlecht Davids, und dies ist der Vorgang der Erniedrigung und Entblößung; ‚secundum Spiritum’ (dem Geiste nach) wird dieser Jesus in die Macht und Herrlichkeit Gottes als Gottessohn erhoben und dies durch die Auferstehung sichtbar gemacht. ‚Secundum formam Dei’ entblößt sich Gott, indem er Mensch wird; ‚secundum formam servi’ erfüllt er sich mit der Fülle der Göttlichkeit. Jede der beiden ‚Gestalten’, in denen Gott sich zeigt, schlägt in ihr Gegenteil um, beide stehen zueinander in dem symmetrischen Verhältnis des (göttlichen) Urbilds und seines (menschlichen) Spiegelbildes; und nur in der Gedoppeltheit dieses Spiegelverhältnisses ist die Verklammerung von Gott und Welt in der Person Jesu und durch die Existenz Jesu, also der Akt der Erlösung als die Seinsweise des Erlösers, metaphysisch begreifbar.“[35]

Was Holz als Philosoph freilich nicht akzeptieren kann, das ist Luthers christologische Konzentration der Trinitätslehre. Ist mit dem Spiegelverhältnis „die Personalität Christi vor der Auflösung in einen bloßen Modus Gottes gerettet, so rückt durch die christologisch unumgänglich starke Betonung dieses Personcharakters die substantielle Einheit mit Gott-Vater wieder ins Zwielicht. Wird Christus in seiner Doppelnatur zum eigentlichen Inhalt oder Subjekt des Glaubens, so verblaßt Gott in einem fernen Horizont hinter der Offenbarungspräsenz und Erlösungsverheißung.“[36] Mit diesem Einwand zielt Holz auf ein ganz entscheidendes Problem, in dem sich zugleich auch die Grenzen einer strukturellen Kompatibilität philosophischer und theologischer Aussagen formieren. Denn Luthers christologische Konzentration ist nicht einem strukturellen Defizit geschuldet, sondern gebunden an ein Christusbekenntnis, von dem her der Horizont der Gottesfrage überhaupt erst in den Blick kommt. Das heißt zugleich: evangelisch-reformatorische Theologie vermag nicht anders von Gott zu reden als in seiner Vergegenwärtigungspräsenz, streng genommen nicht „theologisch“, sondern „christologisch“ - durchaus eingedenk, daß jede „natürliche Philosophie“ in ihrem möglichen Interesse an einer dialektischen Dekodierung des trinitarischen Paradoxals eine solche Konzentration als Verengung empfinden wird.[37]

Daß die Struktur der Formel „una substantia - tres personae“ für einen so genuinen Dialektiker wie Holz eine noetische (und darin wohl zugleich auch eine intellekt-ästhetische) Herausforderung darstellt, kann gar nicht verwundern. Schließlich löst alles Paradoxale eine Denkbewegung aus, die das Formal-Logische an eine Grenze führt, hinter der das Korrelat des Logischen nicht einfach im Un-Logischen besteht, sondern im Dialektischen aufgehoben wird. Und genau hier nun setzt Holz’ Interesse an, nämlich bei der Frage, ob die Struktur der paradoxalen Formulierung „una substantia - tres personae“ eine dialektisch denkbare Beziehungsmöglichkeit enthält.

Bei Luther sieht Holz eine solche Beziehungsmöglichkeit nur eingeschränkt. Bei dem „Lutheraner“ Leibniz allerdings findet er ein Vermittlungsmodell, das kraft seines ihm zugrunde liegenden Spiegelverhältnisses das Paradoxal geradezu „abbildbar“ macht[38]. „’Der Vater vervielfältigt nämlich die Person der Gottheit, indem er sich selbst erkennt und indem er sich selbst liebt. Daher wird der Sohn vom Vater erzeugt, und der Hlg. Geist geht aus Vater und Sohn hervor, obwohl jedoch allen drei Personen das Erkennen und Erkanntwerden, das Lieben und Geliebtwerden gemein ist.’ Gott bezieht sich auf sich selbst, indem er sich selbst liebt, also Liebe ist. Das Bild ist Gott und von Gott erzeugt, aber doch von ihm unterschieden. Der erzeugte Gott (das Bild Gottes als Christus) ist der erzeugende Gott selbst, und die Beziehung, in der Gott sich liebt, ist wiederum Gott selbst in seiner Tätigkeit des Sich-selbst-erkennens. Gott ist eine Substanz in drei Momenten ihres Selbstbezugs - als Identität des erzeugenden Urbilds, als Unterschiedenheit des erzeugten Abbilds und als die Beziehung von Urbild und Abbild im Selbstunterschied. Der Bezug durch sich selbst auf sich selbst kann sich nur in diese drei Momente zergliedern: das Bespiegelte, das Gespiegelte und die Spiegelung.“[39] „Die Totalität wird so zum spekulativen Bild der reflexiven Verfassung der Welt im ganzen. Wie jede Monade ein Spiegel der ganzen Welt ist, so ist Jesus Christus ein Spiegel Gottes; und was metaphysisch das Verhältnis von Allgemeinen und Einzelnen, von Totum und Individuum ist, wird theologisch ausgedrückt[40] durch die Metapher des Verhältnisses von Gott Vater und Sohn und religiös vorgestellt in der Gestalt von drei Personen“.[41]

Noch bemerkenswerter als Holz’ philosophiegeschichtliche Einlassung auf die Trinitätslehre dürfte allerdings sein, daß er nun auch seinerseits ein dialektisch denkbares Trinitäts-Modell skizziert, das von Leibniz ausgeht, um sich dann aber mit der Licht-Metapher zu verbinden. „Wird das Verhältnis durch die exakte Metapher[42] der Spiegelung ontologisch genau formuliert, so läßt sich die substantielle Einheit der im Verhältnis Unterschiedenen (der ‚Hypostasen’) durch die ebenfalls exakte Metapher des Lichts ausdrücken. Das Licht ist das Medium der Sichtbarkeit schlechthin; die Quelle des Lichts ist selbst Licht und ist als solche sichtbar und macht sichtbar, indem sie leuchtet (und dadurch anderes erleuchtet). Das Leuchten des Lichts aber geht von der Quelle aus und wird von ihr erzeugt und ist doch selbst wieder nichts anderes als das Licht. Gott ist die Lichtquelle, Christus das Leuchten (oder Erscheinen), der Geist das Licht als Medium, das sichtbar macht. Man könnte dies auch mit Karls Barths Deutung der Trinität sagen: ‚Gottes Wort ist Gott selbst in seiner Offenbarung. (...) Das bedeutet nach der Schrift für den Begriff der Offenbarung, daß Gott selbst in unzerstörter Einheit, aber auch in unzerstörter Verschiedenheit der Offenbarer, die Offenbarung und das Offenbarsein ist.’[43] Denn auch für die Offenbarung ist Quelle, Vollzug und Ergebnis ein und dasselbe, sofern sie nicht etwas anderes, sondern nichts als sich selbst offenbart, im Offenbarwerden also nichts anderes als die Spiegelung des Einen, Ersten, Absoluten oder Ganzen geschieht. Dies aber ist der Sinn jeder spekulativen Erkenntnis, daß sie die Erscheinung der reinen Selbstbezüglichkeit ist und darum auch nur eine Konfiguration des Absoluten oder Ganzen, weil jedes Moment des Absoluten, jedes Element des Ganzen nie rein selbstbezüglich sein kann, sondern in einem Bezugsrahmen mit anderen Momenten, anderen Elementen steht. Genau das drückt der Weltbegriff des monadologischen Systems von Leibniz aus“.[44] Und genau das macht die Trinität für Holz zu einem dialektisch denkbaren Theorem.

Dabei entwickelt er zudem einen Gedankengang, der sowohl dem alttestamentlichen Bilderverbot im 2. Gebot als auch der „christologischen Konzentration“ Rechnung zu tragen versucht. Der „Gott des 2. Gebotes“ kann „nicht eigentlich als Person gegenständliche Gestalt gewinnen; er bleibt Deus absconditus und wird erst in der Person Jesu zum Deus revelatus. Von den drei Hypostasen der Offenbarung kommt nur Jesus eine vorstellbare und ‚natürliche’ Personalität zu; in ihr reflektiert sich das Sein Gottes. Die Reflexionsgestalt Gottes im Spiegel der Personalität Jesu nimmt Personform an, weil sie nur in dieser personalen Spiegelung offenbart ist (‚erscheint’). Reflexionslogisch ist die Personifizierung der trinitarischen Hypostasen abzuleiten, wenn von der historischen Person Jesu als dem Ereignis des Erscheinens Gottes in der Welt ausgegangen wird. Die Übersetzung der Relationalität des unpersönlichen Logos in die Substantialität des persönliches Gottes läßt sich als ein wechselseitiges Sich-Ausdrücken oder Sich-Darstellen verstehen“: „Im metaphorisch-mythologischen Ausdruck der Geschichte Jesu erkenne ich die unmetaphorisch-unmythologisch nicht aussagbare Wesenheit Gottes; das im Ausdrücken sich Zeigende ist dasselbe wie das Verborgene, das sich ausdrückt, und diese Identifikation ist im Vorgang des Ausdrückens gewährleistet.“[45] In eben diesem Zusammenhang ist es durchaus kein Selbstwiderspruch[46], wenn Holz nun seinerseits affirmativ von „christologischer Zentrierung“ spricht und summarisch hervorhebt: „Der Verzicht auf jede spekulative Konstruktion, die den unnennbaren verborgenen Gott in termini einer begrifflichen Abstraktion zu fassen sucht, und die christologische Zentrierung auf den als Jesus von Nazareth in menschlicher Gestalt erschienenen, also historischen Christus macht die Abbildbarkeit der theologischen auf philosophische Begrifflichkeit (und umgekehrt) möglich. Die logische Struktur der Totalität und Universalität, Eins im Selbstunterschied zu sein, läßt sich in die personale Beziehung von Gott-Vater und -Sohn transponieren. In beiden Fällen ist das Dritte die Einheit der in der Konfiguration des Selbstunterschieds auseinandertretenden Glieder, und diese Einheit heiß beidemal ‚Geist’.“[47]

Dialektische Theologie

Der Widerspruch als der Vater aller Dinge ist in einem auch die Mutter allen Denkens. Solange das Denken im gesicherten Raum des rein Deskriptiven verharrt, bleibt es als bloßes Nach-Denken unangefochten - und harmlos. In ein Abenteuer wird alles Denken erst dann verwickelt, wenn die Deskription ihre Ein-Deutigkeit verliert, weil sie mit Bewegung rechnen muß und mit Beziehung, die sich gegen-seitig gründet. Die reine Deskription verwandelt sich in Reflexion, die nun auch das Denken des Denkens zum Thema bekommt, weil nur in ihm die Gegen-Seitigkeit begriffen werden kann. Doch nun wird es erst recht komplex, denn der Widerspruch des Gegen-Seitigen läßt sich nur im Hinblick auf Identität begreifen. Die aber definiert sich allein im Totalen, das sich als solches aller Erfahrung entzieht - und dennoch (mit)gedacht werden muß, wenn der Widerspruch nicht als unbewegte Aporie verenden soll.

Die Identität mit dem Widerspruch zusammenzudenken[48], das ist das große und übergreifende Thema, das die Philosophie des Hans Heinz Holz von Anfang an zentral bestimmt und in seinem Werk „Weltentwurf und Reflexion“ eine höchst subtile Entfaltung gefunden hat. Die Problemfiguration von Identität und Widerspruch sieht Holz durchaus auch in der Theologiegeschichte konfiguriert, in der deshalb auch, von der Patristik bis zur Spätscholastik, „eine dialektische Denkbewegung hervorgeht“[49]. In seinem zum 120. Geburtstag von Karl Barth veröffentlichten Aufsatz „Gott und Welt. Karl Barth und die Dialektik der christlichen Philosophie“[50] konfrontiert Holz diese Figuration auch mit der „Dialektischen Theologie“ und kommt dabei zu einem Interpretationszusammenhang, der auch für evangelisch-reformatorische Theologie von Bedeutung ist.

Karl Barth: „Wir sollen als Theologen von Gott reden. Wir sind aber Menschen und können als solche nicht von Gott reden. Wir sollen Beides, unser Sollen und unser Nicht-Können, wissen und eben damit Gott die Ehre geben.“[51]

In dieser den Widerspruch geradezu zum Axiom erhebenden Bewegung theologischen Denkens muß der dialektische Systematiker Holz den „dialektischen Theologen“ Barth natürlich in ganz besonderer Nähe zu der für ihn konstitutiven Frage nach der Einheit von Identität und Widerspruch sehen. Aber Holz wäre kein marxistischer Philosoph, wenn er sich bei seiner Barth-Interpretation lediglich auf Theorieimmanentes beschränken würde. So stellt er Barth denn auch in jenen übergreifenden kirchengeschichtlichen Zusammenhang, von dem her dieser Widerspruch seine historischen Konturen erhält.

Die werden für Holz dort deutlich, wo für die frühchristlichen Gemeinden mit der Abnahme der für sie ursprünglich konstitutiven Parusieerwartung eine Situation entsteht, in der sich ein genereller Paradigmenwechsel vollzieht. „Die Erwartung des nahe bevorstehenden Heilsereignisses versetzte den frühen Christen in eine Unmittelbarkeit des Glaubens, aus dem keine Reflexion mehr entspringt; denn Reflexion impliziert die Distanz des Reflektierenden zum Reflektierten.“[52] „Erst das Ausbleiben der Parousie zwingt wieder zur Reflexion, die aus der Distanz zur geglaubten Verheißung den Glauben rechtfertigt. Der Enthusiasmus schlägt um in Theologie. Sie spricht von Gott (...), sie spricht vom Heil, das heißt sie setzt prädikativ auseinander, was der Glaube als reines Verhältnis erfahren hat. Sie macht sich ein Bild von Gott und der Welt.“[53] „Mit dem Übergang von der Endzeit-Gemeinde der Evangelien zur Kirch-Gemeinde der Sanctorum Communio tut sich der Widerspruch auf zwischen der Gerechtigkeit sola fide und der Werkgerechtigkeit in der Welt, zwischen dem Ethos des Glaubens und der Ethik des Handelns, zwischen der unerforschlichen absoluten Wahrheit Gottes (dem ‚Geheimnis’) und dem bedingten, begründungsbedürftigen Meinen der Menschen.“[54]

Sehr feinsinnig und mit einem ungewöhnlich analytischen Blick für theologische Problemstellungen zeigt Holz, wie Barth diesen „historischen“ Widerspruch zu überwinden versucht, indem er ihn als spezifische Konstitution theologischen Denkens „systematisch“ integriert. Daß sich diese Form der „Aufhebung“ einer aporetischen Überlagerung grundsätzlich nicht entziehen kann, ist für Holz nicht einfach eine strukturelle Inkonsequenz, sondern Ausdruck der „dialektische(n) Struktur des religiösen Verhältnisses“[55], die sich bei Barth auf ganz besondere Weise widerspiegele.

Deutlich wird für Holz die aporetische Überlagerung in Barths „Ethik“. „Das Gebot des lebendigen Gottes“, so Barth, „wird dem Menschen gerade nicht nur allgemein und formell, sondern in konkreter Fülle, in inhaltlicher Bestimmtheit gegeben. Es ist immer Einzelgebot für das Handeln dieses Menschen in diesem Augenblick in dieser Situation, Vorschrift für diesen, für seinen Fall: Vorschrift zur Wahl einer bestimmten Möglichkeit menschlicher Gesinnung, Entschließung und Handlung“.[56] Und Holz fragt natürlich mit Recht, woher der Mensch bei dieser radikalen Unterscheidung von Ethos und Ethik eigentlich wissen könne, worin die „inhaltliche Bestimmtheit“ bestehe. Wenn die gesetzestreue Anerkennung von Normen, denen des Menschen Tun zu subsumieren wäre, „die Verletzung des göttlichen Geheimnisses im ethischen Ereignis“[57] ist, dann öffne sich hier „der Abgrund des Subjektivismus“[58], der zudem das Ethische in seinem Ereignischarakter prinzipiell verwechselbar mache.[59] Noch bezeichnender aber sei: „Barth schreibt eine ‚Ethik’, die das System der Ethik im Ereignischarakter des Ethos verdampfen will und dabei doch wieder die Systematik restituiert.“[60]

Die aporetische Überlagerung zeigt sich für Holz natürlich auch in Barths Dogmatik und dem ihr zugrunde liegenden Verständnis von im Glauben gewonnener theologischer Erkenntnis. „Es handelt sich im christlichen Glauben“, so Barth, „um eine Erleuchtung der Vernunft (...) Zur Natur Gottes (...) gehört es nun allerdings, daß er nicht erkennbar ist auf Grund des Vermögens des menschlichen Erkennens, sondern vernehmbar ist und vernommen wird allein auf Grund Gottes eigener Freiheit, Entscheidung und Aktion. (...) Dieses absolute und höchste Wesen, dieses Letzte und Tiefste, dieses ‚Ding an sich’ hat mit Gott nichts zu tun. Es gehört zu den Intuitionen und Grenzmöglichkeiten menschlichen Denkens, menschlichen Konstruierens. Dieses Wesen denken kann der Mensch, aber er hat damit nicht Gott gedacht. Gott wird gedacht und Gott wird erkannt, wenn Gott in seiner eigenen Freiheit sich vernehmbar macht“.[61]

Völlig zutreffen konstatiert Holz: „Das ist etwas ganz anderes als die spekulative Erkenntnis des Absoluten, des Dings an sich, der Grenzüberschreitung zum Unendlichen.[62] Es ist eine Erfahrung, die als Erfahrung mit dem Inhalt der Gewißheit ihrer ‚Richtigkeit’, also der ‚Wahrheit’ versehen ist.“[63] Doch natürlich muß er nun auch von dem „Dilemma“[64] sprechen, in dem er diese Glaubenserkenntnis sieht. „Das (...) ist ein Modus von Erkenntnis, der das genaue Gegenteil rationaler, wissenschaftlicher, weltlicher Erkenntnis ist, also in diesem Sinne gerade keine Erkenntnis. Die Glaubenseinstellung credo ut intelligam läßt sich nicht einfach in das intelligo ut credam überführen. Aber beide Einstellungen treffen aufeinander, wo Theologie als Systematik der Glaubensinhalte ausgearbeitet wird. Sie sind sozusagen die Indices der in der Theologie sich durchsetzenden Dialektik - des Selbstunterschieds der Theologie, die Theologie nur sein kann, wenn sie Theologie ist; oder anders gesagt: nur Theologie ist, wenn sie die Form der Philosophie annimmt (ohne sich deren Maß unterwerfen zu dürfen). Aber es gibt keine Form der Philosophie, die nicht an ihrem Maß Gestalt gewönne, also gemäß den Apriorien der Vernunft gebaut zu sein hätte. Diesem Anspruch unterwirft sich auch theologische Dogmatik in ihrer Architektur, aber nicht in ihren Fundamenten.“[65]

Dem würde Barth im Wesentlichen zustimmen. Und womöglich würde er, jedenfalls Holz gegenüber, sogar auch noch darauf verweisen, daß das Verständnis des „Ganzen“ im Sinne eines übergreifenden Verhältnis-Begriffs von einer so wohltuenden Rationalität getragen ist, daß ein „Wesen“ in ihm gar nicht vorkommen, daß das relational gefaßte „Absolute“ in keiner Weise als korrelierender, nicht einmal als ein dem biblischen Gottesverständnis strukturell korrelierender „Gipfelbegriff“ verstanden werden kann. Und Barth hätte wohl auch zugeben können, die Dogmatik einer institutionalisierten Kirchlichkeit wieder in die Ursprünglichkeit der neutestamentlichen Botschaft hineingestellt haben zu wollen. Womöglich hätte er nicht zugegeben, daß ihm dabei auch die Emanzipation der Philosophie von der Theologie assistiert habe - einer Philosophie, die schließlich auf einen Gottesbegriff nicht mehr zurückgreifen mußte und damit auch die Theologie nötigte, auf fundamentale philosophische Anleihen radikal verzichten zu müssen.

Dialektik der Emanzipation

Es gehört zur unverwechselbaren Charakteristik des Philosophen Hans Heinz Holz, daß er das Verhältnis von Philosophie und Theologie nicht nur in der jeweiligen Repräsentanz ideologischer und politischer und also historischer Konstellationen bestimmt, sondern zugleich und ebenso konsequent auch philosophisch definiert und gerade damit der Theologie einen Ort zuweist, an dem sie philosophisch befragt werden kann. Für Holz subsistiert das Philosophische in jeder systematischen Theologie, weil jedes theologische System die Formbestimmtheit des Philosophischen trägt. So gesehen, gehört auch die Theologie zu den „Manifestationen der einen Philosophie“[66].

„Allerdings ist, angesichts der Mannigfaltigkeit der Manifestationen, nicht leicht zu bestimmen, was eigentlich dieses Eine der Philosophie sei, da die Gegenstände, Inhalte und Verfahrensweisen differieren, ja, selbst das Bezugsfeld deutlich jeweils ein anderes sein kann. So muß Philosophie sich immer wieder von neuem vergewissern, was sie eigentlich sei und sein könne. Sie muß ihre Reflexionsform in sich selbst reflektieren. Sie selbst ist sie aber in dem, was sie gewesen und geworden ist. Sich in sich selbst reflektierend, entdeckt sie sich in ihrer Geschichte und gewinnt so den Begriff ihrer selbst, der solange noch kein vollständiger Begriff (...) ist, wie es noch Philosophierende gibt.“[67] Ist die Philosophie „sie selbst“ in dem, „was sie gewesen und geworden ist“, dann gehört zur Geschichte der Philosophie auf ihre Weise auch die Theologiegeschichte. Für den marxistischen Philosophen Holz ist sie jedenfalls ein Teil jener sich entwickelnden Geistesgeschichte, in der sein philosophisches Denken gründet.

Zu dieser Entwicklung gehört nun aber auch die sich formierende Kontradiktion zwischen Philosophie und Theologie. Der Konflikt selbst spielt bereits in der Antike eine Rolle, und Platon wollte ihn, jedenfalls in seinem Staat, ganz einfach administrativ gelöst wissen: In einer ordentlich gegründeten Polis habe die theologia[68] eigentlich gar keinen angestammten Ort, höchstens bei der musischen Erziehung der Kinder. Aber selbst dabei bedürfe es einer strengen Zensur, die alles Unsittliche und Gott Unangemessene streichen müsse. Denn die „Theologie“ erzähle (mythein) zwar etwas über die Götter, doch den Dichtern der Mythen dürfe man keinen Glauben zumessen, wenn sie von ihnen grundverkehrte und staatsschädigende Vorstellungen verbreiten. Und welch eigenartiger Zufall: Ob Platon den Begriff theologia geprägt oder übernommen hat, darf umstritten bleiben; dort jedenfalls, wo er von uns das erste Mal aufgefunden werden kann, wird er bereits für obsolet erklärt.

Und in Platons Verständnis von theologia ist er auch obsolet geblieben, denn mit der sog. „Christianisierung“ des römischen Reiches hat sich letztlich nicht die „Mythologie“ des Neuen Testaments und also die urchristliche Verkündigung durchgesetzt[69], sondern eben jene Philosophie, mit der die „Mythologie“ als „Theologie“ nun konstitutiv verbunden wird. Der Preis, den die Philosophie für diese Indienststellung zu zahlen hat, ist hoch: sie verliert „die Autonomie des logos[70].

Durch Holz’ gesamtes Werk zieht sich denn auch eine akribische Spurensuche nach jenem Emanzipationsprozeß, durch den die Autonomie des logos wieder in Geltung gesetzt wird. Dabei gilt sein Interesse gerade auch der „subversiven Existenz philosophischer Vernunft“[71], denn: „Eben diese unter der Oberfläche weltanschaulicher Verbindlichkeiten sich erhaltende Selbständigkeit und Wirkungsweise der Vernunft gehört ... zum Begriff der Philosophie in ihrer historischen Wirklichkeit.“[72] Die Seitenverkehrung wird transparent: Wie sich einst frühchristliche Gemeinden in Katakomben zurückzogen, um von hier aus wirksam zu werden, so muß nun die auf Autonomie bestehende Philosophie kryptisch agieren, um sich der Unterwerfung unter eine kirchenpolitische Beanspruchung entziehen und ihren geistigen Widerstand organisieren zu können.[73] Naturgemäß treten dabei nur wenige Akteure in den Vordergrund, wie etwa ein Boethius, der sich „in einem Reduit von aristotelischer Logik und aristotelisch-neuplatonischer Metaphysik verschanzt, um von dort aus langsam Boden zurückzugewinnen“[74]. Im kanonische Schulbetrieb des Mittelalters endlich beginnt sich diese Widerständigkeit auszuzahlen. Die sieben artes liberales - ursprünglich als Bildungsgut des freien Römers, nunmehr aber zunehmend als die von der Theologie freien Künste verstanden - eröffnen der Philosophie wieder einen „Spielraum“, der, „wenn man seine Grenzen ausschreitet, sich zur ganzen diesseitigen Welt ausweitet“[75]. „Insbesondere an Logik und Naturphilosophie konnte dann im 13. Jh. die Diskussion sich entzünden, die zur Wiedergewinnung der Autonomie der Philosophie führte.“[76] Aber schon im 11. Jahrhundert sah sich ein Petrus Damiani gezwungen zu diktierte, daß die Philosophie lediglich als „Magd der Theologie“ zu dienen habe. Das richtete sich nicht an Philosophen, wohl aber an Theologen, die, wie ein Berengar von Tours aber auch ein Anselm von Canterbury, die fides so eng mit dem intellectus verbanden, daß nunmehr die Theologie ihre Souveränität zu verlieren begann.

Daß der erwachte Widerstreit zwischen Philosophie und Theologie auch in die Biographie und das Werk einzelner Theologen dringen mußte, hat Holz an Thomas von Aquin gezeigt[77], der in seinen Jugendschriften eine von Avicenna und dem islamischen Aristotelismus inspirierte Ontologie entwickelte, die mit ihrer Weltvorstellung „in scharfem Gegensatz zur offiziellen theologischen Dogmatik stand“[78]. Erst der die Vermittlung des neuzeitlichen Realismus mit der idealistischen Schultradition ermöglichende und zusätzlich „gereinigte“ Thomas konnte „zum Haupt der ‚rechtsaristotelischen’ Schule“[79] werden. Mit seiner Heiligsprechung (1323 durch Papst Johannes XXII.[80]) endgültig domestiziert, wurde „eines der größten und elaboriertesten Systeme der Philosophiegeschichte von höchstem Reflexionsniveau“[81] zur herrschenden Lehre des Katholizismus.[82]

Anselm von Canterbury, Johannes Roscelin, Petrus Abaelardus, Hugo von Sankt Viktor, Robert Grosseteste, Albertus Magnus, Duns Scotus, Wilhelm von Ockham, Siger von Brabant ... - im Mittelalter verlassen die Denker die Katakomben und zersetzen als Mönche, Kleriker und Bischöfe den Primat der Theologie. Als der Kardinal Nicolaus Cusanus ihr Werk zu vollenden beginnt und schließlich die Theologen der Reformation die Scholastik ganz offiziell zurücknehmen, steht die Philosophie, wiewohl noch äußerlich bedroht, innerlich auf freiem Boden. Den aber muß sie nun noch einmal neu gewinnen, denn: „Mit der Entthronung des Glaubens als erkenntnisbegründender Instanz war nun allerdings auch die Philosophie ihrer Gewißheit entzogen. Die Vernunft stand nun vor der Aufgabe der Selbstbegründung ihrer Erkenntnisleistung“.[83]

Der Paradigmenwechsel ist total, selbst äußerlich, denn ein René Descartes, der sich dieser grandiosen Aufgabe grandios unterzieht, ist kein Priester, sondern ein Advokat, der sich gern auch als Soldat verdingt. Und er unternimmt es „die Existenz und Natur Gottes aus der Selbstreflexion des ‚ich denke’ (cogito) herzuleiten; und um so verfahren zu können, mußte er zunächst die Selbstgewißheit des ‚ich denke’ als absolute und erste Seins- und Erkenntnisgewißheit statuieren“.[84] Cogito ergo sum. Daran wird selbst noch Immanuel Kant anknüpfen und Hegel seinen Einstieg nehmen. Und bevor dann Hegel das harte Wort ausspricht, „daß Gott selbst gestorben ist“[85], hat Spinoza bereits die monistische Gleichung vollzogen: deus sive substantia[86]. Und als Leibniz die letzte große Verteidigung Gottes vorlegt, da kommt Gott in ihr eigentlich schon gar nicht mehr vor.[87] Die Emanzipation der Philosophie von der Theologie scheint besiegelt. Nun werden höchstens noch Nachhutgefechte ausgetragen.[88] Mehr vermag selbst die Gegenreformation nicht auszulösen.

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An dem Selbstverständnis und der Entwicklung der Philosophie läßt sich ablesen, in welchem Zustand sich eine Gesellschaft befindet. Der im Mittelalter anhebende Aufbruch philosophischen Selbstbewußtseins formiert sich in Korrespondenz zur Entstehung und Entwicklung eines Bürgertum[89], das die Feudalgesellschaft schließlich revolutioniert und aufhebt. Den Triumph, den die Philosophie dann bei Hegel feiern darf, teilt sie mit jener triumphalen Akzeleration, die das Bürgertum nun auch in seiner staatspolitischen Machtentfaltung an seine Ziele führt - um alsbald seine ersten Niederlagen gegen die neue Klasse des Proletariats hinnehmen zu müssen. Als sich das deutsche Bürgertum nach dem zweiten verlorenen Weltkrieg restauriert, entbehrt es schon jeder gesellschaftlich progressiven Innovation. Entsprechend artikulieren sich seine Philosophen.

Auch mit dieser Entwicklung der Philosophie hat sich Hans Heinz Holz ausführlich auseinandergesetzt, u.a. in seinem Aufsatz „Protestantische Theologie und bürgerliche Philosophie“[90] - mit einem deprimierenden Befund: Nach dem überwältigenden Siegeszug der bürgerlichen Philosophie kehrt diese bei Vertretern wie Otto Friedrich Bollnow, Martin Heidegger, Karl Jaspers, Wilhelm Kamlah, Gerhard Krüger, Karl Löwith oder Wilhelm Weischedel wieder auf ganzer Linie auf den „Boden einer theologischen Metaphysik“[91] zurück, verbunden mit einer dezidierten Vernunft-, Aufklärungs- und Geschichtsfeindlichkeit[92] und einer „Frontstellung ... gegen die Humanitas in der Philosophie“[93]. So erweist sich die Restauration des Theologischen im Philosophischen „nicht nur als verderblich für die Philosophie, sondern auch für die humanen Traditionen innerhalb der Theologie selbst.“[94]

Wie wichtig für Holz neben den philosophischen Implikationen die humanen Traditionen innerhalb der Theologie sind, hat er in dem Dokument „Umrisse eines Programms historisch-materialistischer Religionsgeschichte des Mittelalters“[95] deutlich gemacht. Dem Philosophen aber geht es gerade dabei nicht um einen unverbindlichen philosophisch-theologischen „Dialog“ über Humanität, sondern um das Bemühen um jenes gemeinsame Verstehen, in dem „Hermeneutik ihren Sinn finden“[96] würde. Auch ein solches Bemühen gehört mit seinen politischen Inklusionen zur „handlungsorientierenden Funktion“ der Philosophie[97].

Die Prämisse für einen solchen Diskurs von Philosophie und Theologie hat Holz ebenso einfach wie konziliant formuliert: „Gott zu beweisen ist theologisch unnötig und philosophisch unmöglich.“[98]

[1] Martin Luther, Studienausgabe, Bd. 1, hg. von Hans-Ulrich Delius, Berlin 1979, S. 169, 166.

[2] Außerordentlich beziehungsreich hat Holz denn auch seine große Monographie über Ernst Bloch unter den Titel „Logos spermatikos“ gestellt und damit der Philosophie Blochs ein konnotativ umfassendes Leitmotiv gegeben, das bezeichnenderweise in der frühchristlichen Theologie der Apologeten (Justin, Apol. II,13) als zulässige Konjunktion zwischen Philosophie und Theologie Geltung bekam (Hans Heinz Holz, Logos spermatikos. Ernst Blochs Philosophie der unfertigen Welt, Darmstadt/Neuwied 1975).

[3] Hans Heinz Holz, Weltentwurf und Reflexion. Versuch einer Grundlegung der Dialektik, Stuttgart/Weimar, 2005.

[4] Ebd., S. 145.

[5] Ebd.

[6] Ebd.

[7] Hans Heinz Holz, Das Feld der Philosophie, dialectica minora 14, Köln 1997, S. 33f.

[8] Hans Heinz Holz, Der dialektische Ursprung der Theologie aus der Apologetik, in: Dieter Kraft (Hg.), Aus Kirche und Welt. Festschrift zum 80. Geburtstag von Hanfried Müller, Berlin 2006, S. 134-152.

[9] Ebd., S. 151.

[10] Rudolf Bultmann hat in seiner „Theologie des Neuen Testaments“ eine grundlegende Differenz geltend gemacht, die für das Verständnis von „Theologie“ im Neuen Testament zentrale Bedeutung trägt: „Die Verkündigung Jesu gehört zu den Voraussetzungen der Theologie des NT und ist nicht ein Teil dieser selbst. Denn die Theologie des NT besteht in der Entfaltung der Gedanken, in denen der christliche Glaube sich seines Gegenstandes, seines Grundes und seiner Konsequenzen versichert. Christlichen Glauben aber gibt es erst, seit es ein christliches Kerygma gibt, d.h. ein Kerygma, das Jesus Christus als Gottes eschatologische Heilstat verkündigt, und zwar Jesus Christus, den Gekreuzigten und Auferstandenen. Das geschieht erst im Kerygma der Urgemeinde, nicht schon in der Verkündigung des geschichtlichen Jesus, wenngleich die Gemeinde in den Bericht über diese vielfach Motive ihres eigenen Kerygmas eingetragen hat. Erst mit dem Kerygma der Urgemeinde also beginnt das theologische Denken, beginnt die Theologie des NT.“ (R. Bultmann, Theologie des Neuen Testaments, Berlin 1970, 6. Aufl., S. 1f.)

[11] H.H. Holz, Der dialektische Ursprung der Theologie aus der Apologetik, a.a.O., S. 151.

[12] Ebd., S. 138.

[13] Ebd., S. 143.

[14] Ebd.

[15] Vgl. Horst Balz/Gerhard Schneider (Hg.), Exegetisches Wörterbuch zum Neuen Testament. Band III, Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1983, Sp. 216-233.

[16] H.H. Holz, Der dialektische Ursprung der Theologie aus der Apologetik, a.a.O., S. 145.

[17] Ebd., S. 147. Zitate aus: Contra Celsum, Vorrede 1 und I,2.

[18] Ebd., S. 147f.

[19] In der Kirchengeschichtsschreibung ist zwar immer wieder der entscheidende Einfluß der Gnosis auf die neutestamentliche Kanonbildung herausgestellt worden (Marcion als erster Kanonisierer), erstaunlicherweise gibt es m.W. aber keine Untersuchung, die speziell der Frage nachgeht, welche Bedeutung eigentlich der eigentümlichen Konstellation zukommt, daß ausgerechnet der in vielem der Gnosis verbundene Origines zum „Vater der systematischen Theologie“ werden konnte - und welche inneren Konsequenzen das wiederum für das Theologie- und Dogmenverständnis der Alten Kirche hat. Für die Gnosis gehört das System zur Voraussetzung ihrer Welterklärung ebenso wie ihrer Soteriologie, die wesentlich an die Erkenntnis (gnosis) der - z.T. sehr verzweigten und ausladenden - kosmologischen Emanationssystematik gebunden ist. Dem Gnostiker, der seine ursprünglich dem „oberen“ Reich des Lichtes zugehörige Seele im Kerker des Leibes und der irdischen Welt sieht, wird „Erlösung“ allein durch die „Erkenntnis“ dieser Situation in der Welt der Finsternis und durch die „Kenntnis“ aller Umstände, die zu dieser Gefangenschaft der Seele geführt haben. Vielleicht könnte an einer neuen Sichtung des „gnostischen Origines“ gezeigt werden, daß sich der Ursprung des Systematischen in der Theologie weit stärker der der Gnosis eigentümlichen und auf „Systeme“ abhebenden Verbindung von mythos und noesis verdankt als der Einbindung des Glaubens in die Philosophie.

[20] So die populäre Kurzfassung aus De carne 5.

[21] H.H. Holz, Der dialektische Ursprung der Theologie aus der Apologetik, a.a.O., S. 148.

[22] Ebd., S. 149.

[23] Hans Heinz Holz, „Die große Räuberhöhle“. Religion und Klassenkämpfe im christlichen Mittelalter, Bielefeld 1999.

[24] Hans Heinz Holz, Theologische und philosophische Dialektik: das Trinitätsproblem, in: Weißenseer Blätter (WBl) 1/2002, S. 25-33; 2/2002, S. 2-10; 3/2002, S. 9-17.

[25] H.H. Holz, Theologische und philosophische Dialektik, WBl 1/2002, S. 26. Im Blick auf die römisch-katholische Dogmatik hat Holz durchaus recht. Biblisch-reformatorische Theologie hingegen wird sich kaum darin wiederfinden, ein Interesse daran haben zu sollen, „Aussagen über Transempirisches einsehbar ... machen“ zu wollen. Für sie ist die Frage nach der Trinität eine Bekenntnis- und keine Erkenntnisfrage, die von diesem Bekenntnis irgendwie absehen könnte. Und in diesem Bekenntnis geht es gerade nicht um „Transempirisches“, sondern durchaus um „Empirisches“, nämlich um den Jesus von Nazareth, der als der Kyrios (als der Herr = adonai = Jahwe) bekannt wird, worin das Vertrauen (pistis) darauf zum Ausdruck kommt, daß uns in diesem Nazarener Gott selbst begegnet. Wesentlich ist diesem Bekennen nicht ein konsekutives Insistieren auf noetischer Vergewisserung und Affirmation. Eine biblisch verstandene Trinitätslehre hat einen völlig anderen Skopus: In ihr wird verbindlich, daß Christen von Gott nicht reden können, ohne in der gehorsamen Nachfolge Christi zu stehen. Nicht ein intelligibler, sondern ein lebensbezogener Akt folgt dem Christusbekenntnis. Es ist kein Zufall, daß in Nicäa, unter Aufsicht des römischen Kaisers, von metanoia nicht mehr die Rede ist.

[26] Ebd.

[27] Vgl. Hans Heinz Holz, Dialektik und Widerspiegelung, Köln 1983; vgl. auch: ders., Widerspiegelung, Bibliothek dialektischer Grundbegriffe, Bd. 6, Bielefeld 2003.

[28] H.H. Holz, Theologische und philosophische Dialektik, WBl 1/2002, S. 29, bezogen auf De non-aliud, in: Nikolaus von Kues, Philosophisch-theologische Schriften, hg. von Leo Gabriel, Wien 1964, Bd. 2, S. 464.

[29] H.H. Holz, Theologische und philosophische Dialektik, WBl 1/2002, S. 29.

[30] Ebd.

[31] Luther übersetzt: „... von seinem Sohn, der geboren ist von dem Samen Davids nach dem Fleisch und kräftiglich erwiesen ein Sohn Gottes nach dem Geist, der da heiliget...“ und kommentiert: „Von seinem Sohne, geboren aus dem Samen Davids, auserkoren und bestimmt, eingesetzt und verordnet zum Sohne Gottes“. (Martin Luther, Vorlesungen über den Römerbrief, lateinisch-deutsche Ausgabe, Weimar/Darmstadt 1960, Bd. 1, S. 28)

[32] H.H. Holz, Theologische und philosophische Dialektik, WBl 1/2002, S. 29.

[33] Ebd., S. 30.

[34] M. Luther, Vorlesungen über den Römerbrief, a.a.O., S. 28.

[35] H.H. Holz, Theologische und philosophische Dialektik, WBl 1/2002, S. 30.

[36] Ebd., S. 31.

[37] Im Blick auf Karl Barth (Kirchliche Dogmatik I/1, Zürich 1932, S. 321) und Hanfried Müller (Evangelische Dogmatik im Überblick, Berlin 1978, Teil 1, S. 75) registriert Holz sehr subtil eine Differenz, die gerade an dieser christologischen Konzentration zum Ausdruck kommt: „Beide, Barth und Müller, bedürfen der Trinität als Strukturschema der personalisierten Offenbarung. Aber erst bei Müller erlaubt die Zentrierung in der Christologie die deduktive Setzung einer Korrelation zwischen dem transzendenten Glaubensgehalt und einer weltlichen Haltung, die zu Lebensentscheidungen verpflichtet. Und zwar gerade deshalb, weil er eine analoge Konstruktion von Transzendenz und Immanenz zurückweist.“ (H.H. Holz, Theologische und philosophische Dialektik, WBl 3/2002, S. 13)

[38] Natürlich kann Leibniz nicht im eigentlichen Sinne als „Lutheraner“ gelten, und Holz hat deshalb auch wiederholt auf die unüberbrückbare Kluft zwischen Leibniz und Luther hingewiesen, insbesondere auch darauf, daß Luthers Theologie den „Spielraum für die metaphysische Begründung weltlicher Wahrheit“ radikal einschränke (Hans Heinz Holz, Säkulare Vernunft. Philosophie und Wissenschaft am Anfang der Neuzeit, dialectica minora 16, Köln 2003, S. 37).

[39] H.H. Holz, Theologische und philosophische Dialektik, WBl 2/2002, S. 9.

[40] Vgl. zur Kategorie „ausdrücken“: Hans Heinz Holz, Gottfried Wilhelm Leibniz. Eine Monographie, Leipzig 1983, S. 100: „Leibniz betont immer wieder ...,daß das Ausdrücken, die Repräsentation ein universeller Vorgang in allem Seienden der Welt ist.“

[41] H.H. Holz, Theologische und philosophische Dialektik, WBl 2/2002, S. 9f.

[42] Vgl. Hans Heinz Holz, Die Bedeutung von Metaphern für die Formulierung dialektischer Theoreme, Sitzungsbericht der Leibniz-Sozietät, Band 39, Heft 4/2000.

[43] Karl Barth, Kirchliche Dogmatik, Band I/1, Zürich 1932, S. 311.

[44] H.H. Holz, Theologische und philosophische Dialektik, WBl 2/2002, S. 10.

[45] H.H. Holz, Theologische und philosophische Dialektik, WBl 3/2002, S. 15.

[46] Vgl. Anm. 36.

[47] Ebd. Abgesehen davon, daß „Personalität“ nicht identisch ist mit „Person“, und auch davon, daß Dogmatiker der altkirchlichen Trinitätslehre widersprechen müßten, wenn das Personsein der ersten Hypostase der Trinität erst an der zweiten Hypostase entsteht - die entscheidende Differenz zu biblisch-reformatorischem Denken dürfte in der Denkrichtung liegen, die bei Holz bei der ersten („uneigentlichen“) Person der Trinität einsetzt, um zu dieser schließlich als („reflektierter“) Person wieder zurückzukehren. Die Christologie bliebe dann nur ein Durchgang zur Theologie, gerade auch wenn gesagt wird, daß „von der historischen Person Jesu als dem Ereignis des Erscheinens Gottes in der Welt ausgegangen wird“. Denn streng genommen, besagt diese Formulierung nicht, daß von der „historischen Person Jesu“, sondern von dem „Erscheinen Gottes“ in ihr ausgegangen wird.

[48] Vgl. H.H. Holz, Weltentwurf und Reflexion, a.a.O., S. 5.

[49] Hans Heinz Holz, Gott und die Welt. Karl Barth und die Dialektik der christlichen Philosophie, in: Weißenseer Blätter (WBl) 2/2006, S. 22.

[50] WBl 2/2006, S. 9-22.

[51] Karl Barth, Das Wort Gottes als Aufgabe der Theologie (1922), in: ders., Das Wort Gottes und die Theologie. Gesammelte Vorträge, München 1929, S. 158.

[52] Ebd., S. 16.

[53] Ebd.

[54] Ebd., S. 17.

[55] Ebd., S. 13.

[56] Karl Barth, Die Kirchliche Dogmatik III/4, Zollikon/Zürich 1951, S. 11.

[57] Ebd.

[58] H.H. Holz, Gott und die Welt, a.a.O., S. 12.

[59] Und so verweist Holz denn auch auf die enge Berührung, die Barths Ereignis-Begriff mit dem Jean Paul Sartres hat (vgl. ebd. und Hans Heinz Holz, Jean Paul Sartre, Meisenheim/Glan 1951, S. 57ff.). Barth würde diese Verwechselbarkeit wohl schon deshalb nicht bestreiten, weil ihm nicht an einer ethischen Unverwechselbarkeit gelegen ist, wohl aber daran, die Wirklichkeit des Wortes Gottes jedweder Verwechselung mit der Wirklichkeit des Menschen zu entziehen. „Denn die Wirklichkeit des Menschen, den das Wort Gottes anredet, befindet sich, so gewiß die Theologie sie keinen Augenblick aus den Augen verlieren darf und kann, mit der Wirklichkeit des Wortes Gottes selber keineswegs auf derselben Ebene (...). Sondern die Wirklichkeit des durch das Wort Gottes angeredeten Menschen verhält sich zu der Wirklichkeit des Wortes Gottes selbst wie das Prädikat sich zum Subjekt verhält, d.h. sie ist diese Wirklichkeit nie und nirgends und in keiner Hinsicht, sondern eben nur als mitgesetzt in jener. Sie ist nur von jener aus ausfindig zu machen; man kann von ihr nur reden, indem man von jener redet“. (Karl Barth, Ethik I, Zürich 1973, S. 20.)

[60] H.H. Holz, Gott und die Welt, a.a.O., S. 18.

[61] Karl Barth, Dogmatik im Grundriß, Zürich 1999, 8. Aufl., S. 26.

[62] Vgl. dazu H.H. Holz, Weltentwurf und Reflexion, a.a.O., S. 73ff. und 223ff.

[63] H.H Holz, Gott und die Welt, a.a.O., S. 20f.

[64] Ebd., S. 21. Und Barth konzediert in diesem Zusammenhang nicht nur, sondern er thematisiert ausdrücklich, daß hier von einer „Bedrängnis“ gesprochen werden müsse (Das Wort Gottes als Aufgabe der Theologie, a.a.O., S. 85).

[65] Ebd.

[66] H.H. Holz, Das Feld der Philosophie, a.a.O., S. 21.

[67] Ebd.

[68] Platon, Politeia II,379a.

[69] Es ist Holz wichtig, auch gegenüber Rudolf Bultmann daran festzuhalten, daß es sich bei den neutestamentlichen Evangelien ebenfalls um „Mythologien“ handelt, die eigentlich nicht entmythologisiert werden können: „Die Evangelien verkünden das Reich Gottes, indem sie die Geschichte Jesu erzählen. Das ist Mythologie, und das Programm einer ‚Entmythologisierung’ des Christentums ist ein theologisches Mißverständnis. Anders als indirekt kann von Gott gar nicht gesprochen werden. Die indirekte Weise, von ihm zu sprechen, ist aber die mythologische: Er zeigt sich in Geschichten, in denen seine Anwesenheit evoziert wird.“ (H.H. Holz, Theologische und philosophische Dialektik, a.a.O., S. 15.)

[70] H.H. Holz, Das Feld der Philosophie, a.a.O., S. 24.

[71] Ebd., S. 25.

[72] Ebd.

[73] Vgl. ebd., S. 24. Interessanterweise zeigt sich bei Holz noch eine ganz andere Seitenverkehrung. Geradezu in Antithese zu Tertullians anima naturaliter christiana (Apologeticum 17) kann er „in dem Aufeinanderprallen“ von philosophischer Erkenntnis und den „logischen Paradoxa der Glaubensartikel“ von den „Normen der ‚natürlichen Vernunft’“ sprechen, „die für das Denken unhintergehbar sind“ (H.H. Holz, Theologische und philosophischer Dialektik, WBl 2/2002, S. 4).

[74] H.H. Holz, Das Feld der Philosophie, a.a.O., S. 24.

[75] Ebd., S. 26.

[76] Ebd.

[77] Vgl. Hans Heinz Holz, Die zwei Gesichter des Thomas von Aquino, in: ders., „Die große Räuberhöhle“, a.a.O., S. 105-113.

[78] Ebd., S. 106. „Vielleicht ließe sich zeigen, daß Thomas seine [spätere] Annäherung an die orthodoxe Doktrin nur als eine theologische betrieb und der Philosophie, im Sinne seines Mitstreiters und späteren Kontrahenten Siger von Brabant, ein unabhängiges Reservat zuwies, in dem das weltlich-vernunftgemäße Denken durch keine vernunftfremde Instanz beeinträchtigt werden durfte.“ (Ebd., S. 107.)

[79] Ebd., S. 108.

[80] Vgl. Holz’ (kirchen)politisch scharfsichtige Analyse der jüngsten Papstgeschichte vor dem Hintergrund erprobter Herrschaftsmechanismen in: jungeWelt, 13.08.2005.

[81] H.H. Holz, Die zwei Gesichter des Thomas von Aquino, a.a.O., S. 109.

[82] Duns Scotus, der der Theologie nicht einmal mehr den Rang einer Wissenschaft belassen wollte (vgl. Holz, Das Feld der Philosophie, a.a.O., S. 26), widerfuhr ähnliches, doch erst 1992, durch Papst Johannes Paul II., der ihn aber - verständlicherweise - nur selig sprechen konnte, denn in der Konsequenz teilte Duns Scotus nicht einmal mehr die sog. „Lehre von der doppelten Wahrheit“.

[83] H.H. Holz, Das Feld der Philosophie, a.a.O., S. 27.

[84] Ebd., S. 27f.

[85] Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Phänomenologie des Geistes, Werke Bd. 3, Franfurt a.M. 1970, S. 572.

[86] Baruch de Spinoza, Ethik, 1. Teil, 11. Lehrsatz.

[87] Hans Heinz Holz, Einheit und Widerspruch. Problemgeschichte der Dialektik in der Neuzeit, Bd. I: Die Signaturen der Neuzeit, Stuttgart/Weimar 1997, S. 394: „Indem Leibniz den einzigen philosophisch mit Aussicht auf Widerspruchsfreiheit gangbaren Weg eingeschlagen hat, nämlich Gott aus dem Anklagezustand zu entlassen und Theodizee als Kosmodizee zu entwickeln, kam er zu einem Punkt, an dem Gott systemintern überflüssig geworden war.“

[88] Vgl u.a.: Hans Heinz Holz, Rudolphus Goclenius - philosophische Versöhnung?, in: ders., Säkulare Vernunft. Philosophie und Wissenschaft am Anfang der Neuzeit, dialectica minora 16, Köln 2003, S. 21-31.

[89] Vgl. u.a. Hans Heinz Holz, Klassenkämpfe im Mittelalter - Die Pataria, in: ders., „Die große Räuberhöhle“, a.a.O., S. 19-29.

[90] Hans Heinz Holz, Protestantische Theologie und bürgerliche Philosophie, in: ders., Deutsche Ideologie nach 1945. Gesammelte Aufsätze aus 50 Jahren. Band 2, Essen 2003, S. 81-100; vgl. auch: ders., Philosophie als bürgerliche Weltanschauung: Umerziehung und Restauration - westdeutsche Philosophie im ersten Nachkriegsjahrzehnt, in: ebd., S. 11-30, und: ders., 30 Jahre Philosophie in der Bundesrepublik Deutschland, in: ebd., S. 31-55.

[91] H.H. Holz, Protestantische Theologie und bürgerliche Philosophie, a.a.O., S. 87. „Es muß zur Ehrenrettung der Theologen gesagt werden, daß der Übergriff auf die Philosophie nur selten von ihnen ausgegangen ist.“ (ebd., S. 82.)

[92] Ebd., S. 84.

[93] Ebd., S. 89.

[94] Ebd., S. 98. Und es erweist sich auch, daß die „Normen der ‚natürlichen Vernunft’“, die, nach Holz, „für das Denken unhintergehbar sind“ (vgl. Anm. 73) durchaus hintergangen werden können, wenn die herrschenden gesellschaftlichen Verhältnisse auf ihnen ideologisch lasten und die „natürliche Vernunft“ ihre gesellschaftliche Bedingtheit aufdeckt.

[95] H.H. Holz, „Die große Räuberhöhle“, a.a.O., S. 15-17.

[96] H.H. Holz, Theologische und philosophische Dialektik, WBl 3/2002, S. 17.

[97] Vgl. Anm. 7.

[98] H.H. Holz, Protestantische Theologie und bürgerliche Philosophie, a.a.O., S. 86.

16. Hacks-Gespräch - Zum Werk von Hans Heinz Holz.  Habbema - Bühne der Peter-Hacks-Gesellschaft - 25. 01. 2012. Mit Erich Hahn, Arnold Schölzel und Hans-Günter Szalkiewicz, Moderation: Dieter Kraft .