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Dieter Frielinghaus zum 75. Geburtstag                   .

Zum Geleit - Klaus Ehrler in Texten und Kontexten

Gerhard Bassarak zum 90. Geburtstag

Heidi Urbahn de Jauregui zum 70. Geburtstag

 

Dieter Frielinghaus zum 75. Geburtstag

[in: jungeWelt, 14./16.11.2003, S. 13]

Pathos ist seine Sache nicht; der Protestant Frielinghaus ist ein Reformierter, zudem reformatorisch entschieden. Wohl aber ist er, in des Wortes altgriechischer Bedeutung, sympathisch. Und wer in menschlichen Nöten und gesellschaftlichen Erniedrigungen mitleiden kann, in der Kirche wie in der Welt, dem verschließt sich der Überfluß an Worten. Dessen Rede wird klar und eindeutig und aller Verklärung widersprechen. Weder in der Welt noch in der Kirche ist ein solches Reden beliebt, und das will Frielinghaus auch nicht sein. Er gehört zu jenen Aufrechten, die die herrschende Kirchengeschichtsschreibung, wenn überhaupt, dann höchstens als »irregulär« zu apostrophieren pflegt. Doch dieser Pejorativ vermag nicht wirklich zu denunzieren. Dieter Frielinghaus jedenfalls ist, Gott sei Dank, irregulär: Ein Prediger des Wortes Gottes, der sich aller Verfremdung der biblischen Botschaft widersetzt; ein Theologe, der für die Kirche allein den Auftrag zum Dienen gelten läßt und ihr jedweden Anspruch auf Macht und Beliebigkeit aberkennt; ein Christenmensch, der sich in Solidarität begibt und auch dort anzutreffen ist, wo er mit Sozialisten und Kommunisten identifizierbar wird.

Bereits sein Weg in die DDR Ende der 50er Jahre, nach Studium und Promotion in Göttingen, war für den gebürtigen Braunschweiger mehr als nur ein Ortswechsel. Als Pfarrer der reformierten Gemeinde in Dresden und Bergholz, als Moderator der reformierten Gemeinden in der DDR und Mitglied der Kirchenleitung in Berlin-Brandenburg brachte sich Frielinghaus in den Friedensrat ebenso ein wie in die christlichen Arbeitskreise der Nationalen Front. Er war Gründungsmitglied der Christlichen Friedenskonferenz und gehörte zum Weißenseer Arbeitskreis, der kirchlichen Bruderschaft in Berlin-Brandenburg. Und noch heute veröffentlicht er in den Weißenseer Blättern, denen Peter Hacks bescheinigte (Pasiphae: Was ist das hier?): vermöge ihrer habe der Theologe Hanfried Müller »die Kenntnis der Marxschen Theorie über die gedankenlose, die schreckliche Zeit der Konterrevolution hinweg« gerettet.

In seiner Monographie über den reformierten Theologen Andreas Hyperius referiert Frielinghaus: In der Praxis begnügt sich die Theologie »nicht mit der einfachen Bekanntmachung dessen, was richtig ist, sondern bemüht sich um die von der Sache selbst geforderte Bekanntmachung ad vitam. ... Um das tun zu können, darf sie nicht nur die doctrina, sie muß auch die Menschen kennen, an die sich diese richtet. Sie muß das Leben der Menschen, ihre Bedürfnisse, Sorgen und Nöte, ihre Schwächen, Fehler und Sünden kennen, und sie muß auf das alles eingehen können.« »Ecclesia und Vita«, Kirche und Leben, so der Titel dieses Werkes, der in seiner ebenso schlichten wie prägnanten Programmatik für das Werk und Wirken des Theologen und Pastors Frielinghaus nicht trefflicher gewählt werden könnte.

Dieter Lattmann hat in seinem deutsch-deutschen Roman »Die Brüder« von Dieter Frielinghaus (alias Cordt Ristenpart) ein literarisches Porträt gezeichnet, das den Schlüsselsatz enthält: »Er nahm die Bergpredigt, wie Urchristen sie verstanden hatten.« Was für Frielinghaus auch heißt: in jener biblischen Radikalität, die von Frieden und Gerechtigkeit nicht jenseitig schwärmt, sondern sich abmüht, sie diesseitig zur Welt zu bringen. Das aber gelingt nicht ohne Klarheit und Erkenntnis. Und deshalb hat Frielinghaus nie aufgehört, die Krieg und Ungerechtigkeit gebärenden Verhältnisse beim Namen zu nennen - bei ihrem richtigen, mit ihren katastrophalen Folgen für die Menschheit insgesamt -, und nach der Zerschlagung des europäischen Sozialismus öffentlich bekannt: »Nicht zuviel habe ich für den Sozialismus getan, sondern viel zu wenig.«

Als ihm die GMB, die Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrecht und Menschenwürde, die ihn zum Vorsitzenden ihres internationalen Kuratoriums wählte, 1996 den ersten Menschenrechtspreis verlieh, galt diese Ehrung einem Mann, der zu den eindrücklichsten Gestalten nicht nur der DDR-Kirchengeschichte gehört. Dieser Überzeugung geben Freunde und Verehrer am 75. Geburtstag von Pfr. Dr. Dieter Frielinghaus erneut Ausdruck - in Dankbarkeit und mit dem herzlichen Wunsch: Ad multos annos!

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Salz der Erde...  Dieter Frielinghaus zum 80. Geburtstag, TOPOS Sonderdruck, Edizioni La Città del Sole, Napoli 2008, mit Beiträgen von Dieter Kraft, Ellen Brombacher, Horsta Krum, Friedrich Wolff, Christian Stappenbeck, Karin Hildebrandt, Hartmut Drewes, Kuno Füssel, Constanze Kraft, Renate Schönfeld, Hans Heinz Holz,  Hanfried Müller, Wolfgang Richter, Arnold Schölzel

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Zum Geleit - Klaus Ehrler in Texten und Kontexten

[in: Der Wettlauf zum Frieden. Klaus Ehrler in Texten und Kontexten, hg. und kommentiert von Ingrid Ehrler, Pahl-Rugenstein Verlag, Bonn 2007, S. 9f., ISBN 978-3-89144-393-4]

Als Klaus Ehrler am 12. September 2005 starb, hinterließ er neben seinen zahlreichen Veröffentlichungen eine kaum zu überschauende Fülle an Manuskripten, die zu den unterschiedlichsten Anlässen entstanden waren. Ingrid Ehrler hat sich in dem vorliegenden Band nicht nur der großartigen Aufgabe unterzogen, eine Auswahl dieser Materialien mit bereits Publiziertem zusammenzustellen; sie hat zugleich ein biographisches Porträt gezeichnet, in dem sich auf ganz außergewöhnliche Weise jene Zeitgeschichte widerspiegelt, in die sich Klaus Ehrler auf vielfältige Weise eingebracht hat. So ist eine Dokumentation entstanden, die die Signatur eines lebendigen Geschichtsbuchs trägt, dessen Lektüre selbst für jene Leserinnen und Leser von großem Gewinn sein wird, die sich lediglich von einem rein historischen Interesse leiten lassen. Für alle politisch und darüber hinaus auch biographisch Interessierten bietet dieses Buch weit mehr als nur eine historische Retrospektive. Indem es uns auf den Weg mitnimmt, der Klaus Ehrler in die Mühen des Friedenskampfes geführt hat, sensibilisiert es für ein friedenspolitisches Engagement, dessen Notwendigkeit nach dem Ende des sog. Kalten Krieges noch bedrängender geworden ist. Das wußte Klaus Ehrler nur zu gut, denn er hatte schon sehr früh erkannt, daß die Frage nach Krieg und Frieden nicht abgelöst werden kann von der Frage nach dem Systemcharakter einer Gesellschaft. In dieser Erkenntnis gründete denn auch seine in der BRD und Westberlin oft angefeindete Haltung gegenüber den sozialistischen Ländern und ebenso seine Solidarität mit der einst weltweiten Befreiungsbewegung, deren Erfolge er immer auch als eine Bewegung zum Frieden verstand.

Für Klaus Ehrler gehörte es zur Programmatik der Friedensbewegung, die Einsicht in friedenspolitische Grund-Sätze stets aktuell zu verbinden mit einem möglichst breiten Spektrum kommunizierender Friedensaktionen. Und es gehörte zu seinem eigenen unverwechselbaren Proprium, viele dieser Aktionen nicht nur mitgetragen, sondern maßgeblich initiiert und inspiriert zu haben - auf nationaler Ebene ebenso wie im ökumenischen Rahmen der Christlichen Friedenskonferenz und im internationalen UNO-Kontext der Non-Governmental Organisations. Es ist Ingrid Ehrler sehr dafür zu danken, daß sie es mit diesem Buch möglich gemacht hat, einen authentischen Einblick in jene geist- und ideenreiche Vielfalt nehmen zu können, die für Klaus Ehrlers Friedensengagement so charakteristisch und für seine Friedensfreundinnen und -freunde unentbehrlich gewesen ist.

Insbesondere wird ihr dieser große Freundeskreis auch dafür danken, daß sie einen in Details gehenden Einblick gewährt hat in Erlebnisse und Episoden, die in der besonderen Intensität des Privaten die Erinnerung an Klaus Ehrler auf sehr persönliche Weise lebendig bleiben lassen.

Indem uns Ingrid Ehrler in diese Reminiszenz hineinnimmt, erinnert sie zugleich daran, daß die Friedensbewegung nichts notwendiger braucht als die mutig-realistischen Friedensphantasien nachfolgender Generationen. Sie hat ihr Buch 15 jungen Menschen aus dieser neuen Generation gewidmet, weil sie sich auch mit diesem Zeichen der Hoffnung und Herausforderung tief verbunden weiß mit Klaus Ehrler und seiner zuversichtlichen Ermutigung: „Unsere EnkelInnen fechten’s besser aus!“

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Der Wettlauf zum Frieden

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Gerhard Bassarak zum 90. Geburtstag

[in: Grüße an Gerhard Bassarak zum 90. Geburtstag am 3. Februar 2008, ed. v. Christian Stappenbeck]

Hochverehrter Herr Professor, lieber Bruder Bassarak,

zu Ihrem 90. Geburtstag grüße ich Sie in bester Erinnerung an jene Zeiten, in denen ich mich auf vielfältige Weise mit Ihnen und Ihrer akademischen und ökumenischen Arbeit verbunden wissen durfte.

Durch Sie bin ich in den 80er Jahren in Lebens- und Arbeitsbezüge gestellt worden, die in außergewöhnlicher Weise prägend geworden sind. Ich verdanke Ihnen nicht nur, im Internationalen Stab der CFK tätig gewesen sein zu können, sondern mit dieser Tätigkeit auch Perspektiven gewonnen zu haben, die selbst nach der Auflösung dieser ökumenischen Bewegung im Untergang des europäischen Sozialismus ihre weiterwirkende Konsistenz behielten. Mit diesen Perspektiven verbunden ist die von Ihnen so eindrücklich weitergegebene Überzeugung, daß selbst in dem totalen Scheitern, in der Vernichtung biographischer Kontinuität und also in den Niederungen eines mühsamen Überlebens Hoffnungslosigkeit niemals nach den Vorgaben dieses Äons definiert werden darf.

Als Student war ich zunächst überrascht, daß sich mein erstes Seminar bei Ihnen ganz konzentriert mit exegetischen Fragen befaßte und in Predigtmeditationen mündete. Doch gerade so habe ich bei Ihnen gelernt, daß ein Ökumeniker seinen eigentlichen Fokus verfehlt, wenn er seine Arbeit mit der Pragmatik kirchlicher »Außenpolitik« verwechselt. Später habe ich bewundert, mit welch großer Entschiedenheit Sie diesen Grundsatz in der Arbeit der CFK geltend gemacht haben. Es steht mir nicht zu, Verdienste zu beurteilen, aber fraglos war es Ihr Verdienst, daß die CFK bis zum Schluß eine theologische Stimme behielt.

Und auch dieses möchte ich einfach einmal gesagt haben: Das Bild, das mir von der CFK geblieben ist, wird weitgehend von Ihrer Person ausgefüllt. Vielleicht ist es deshalb etwas verklärt, aber ich habe kein Bedürfnis, dieses Bild zu korrigieren.  

Leider konnte ich Sie nach Ihrer Emeritierung an der Sektion Theologie nicht mehr als Kollegen erleben, doch ich bin mir sicher, daß wir beide in der heutigen Theologischen Fakultät lästige Fremdlinge sein würden. Um so mehr freue ich mich, Sie an Ihrem 90. Geburtstag in jener Vertrautheit grüßen zu dürfen, die ich einst als ein großes Privileg empfunden habe.

Mit allen guten Wünschen

Ihr Dieter Kraft

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Ingrid Ehrler, Constanze Kraft, Christian Stappenbeck, Rudolf Weckerling (Hrsg.): Gerhard Bassarak - Mit dem Vorsprung einer historischen Epoche, GNN-Verlag, Schkeuditz 2010, ISBN 978-3-89819-348-1.

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Heidi Urbahn de Jauregui zum 70. Geburtstag

[in: jungeWelt, 5. März 2010, S. 13]

Wenn sie ihre Texte vorträgt, wird es im Publikum hörbar still, denn selten übergreifen sich Inhalt und Form so apart wie bei dieser deutschen Französin, die als französische Deutsche sich selber zu übergreifen scheint. Dialektik ist da bereits biographisch angelegt. Und nur im Dialektischen scheint Schönheit wahrhaft auf. In ihm hat das Banale Hausverbot, die Dummheit ohnehin. Alles durchdringt sich mit Gegenseitigkeit und einem Anspruch, der selbst dort erhebt, wo Niederungen das Thema aufgeben.

Heidi Urbahn de Jauregui hat viele Themen. Lebensthemen als Exilantin und Immigrantin, als Studentin und Professorin, als Schwester und Mutter und Freundin - als Verächterin und als Verehrerin. Und selbst dort, wo sie verachtet, geschieht das mit Stil. Doch wo sie verehrt, wird alles très grand style. Peter Hacks darf sich dessen rühmen, und Goethe und Heine und der Geist überhaupt. Und Heinrich Mann, daß sie die Ehrung auf sein Erbe zu Ehren gebracht hat.

Nachdem sie in jungen Jahren nach Frankreich siedelte und sich dem deutschen Unternehmertum entzog, zog es sie dennoch wieder gen Osten. Dort nämlich siedelte Hacks - auch er zugleich ein Exilant und Immigrant. Und ein Botschafter klassischen Weltkulturerbes, der - wo denn auch sonst - in der DDR seine Heimstatt nahm. Eine geistige Große Rochade, die die Behörden der Grande Nation mit Argwohn bedachten - nur schwer davon zu überzeugen, daß sich eine werdende Französin für eine rechtselbische Wahlverwandtschaft begeistern darf: Wer so anmutig über Hacks zu schreiben vermag, der wird wohl auch die DDR so übel gar nicht finden - schon gar nicht im Vergleich. Und die Behörden hatten nicht Unrecht, wiewohl Heidi Urbahn de Jauregui stets auf ihrem eigenen Verständnis von Recht bestand. Bei ihr jedenfalls kommt Recht nicht aus ohne Sozialität und Kommunität. Politische Verdikte sind ihr ein Greuel, es sei denn, sie ergehen mit Recht.

Noch immer schwingt, was sich Essay nennt, zwischen den Artikeln, als ließe sich nicht festlegen, ob es der oder das sein will. Die Essayistin Urbahn de Jauregui hat dieses Schwingen in ihrem Werk wunderbar überhöht durch jenes »Kunstschöne«, das bei Hegel noch die Wahl hat zwischen Poesie und Prosa. In ihrer Essayistik scheint diese Grenze zu verschwimmen, denn der Prosa widerfährt in ihren Essays das Privileg, poetisch klingen zu dürfen.

Ganz unverwechselbar auch dieses: Niemals weicht ihre sanfte Sprache aus, den politices nicht und auch nicht den Abgründen verkommener Gesellschaft, deren Politik sie, mit Schiller, verabscheut. Heine und die Folgen können eben ganz anders aussehen als bei Karl Kraus. Bei Heidi Urbahn de Jauregui sehen die Folgen glänzend aus. Auch mit Ihrer jüngst erschienenen »Dichterliebe«, einem biographischen Roman über die »Mouche«, über Heinrich Heines letzte Geliebte. Ein Roman, der unendlich vieles konnotiert an Geschichte und Gegenwart und Verborgenes aus den Verstecken holt.

Und nichts ist Selbstzweck bei dieser Literatin, die analytisch denkt und systematisch reflektiert und vorgibt, doch nur eine Germanistin zu sein. Im l’art pour l’art wird die Kunst bodenlos, zur Erscheinung ohne Wesen. Bei ihr ist das Wesentliche im besten Sinne aufgehoben - und zur Sprache gebracht. Wohl auch deshalb vermag sie noch immer die scheinbar obsolet gewordene DDR-Literatur zu schätzen, jedenfalls in ihren besten Teilen. Und, selbstredend, einen Brecht, mit dem sie die Überzeugung teilt, daß gerade auch die Ästhetik den Menschen zum Denken erziehen muß. Das schließt für sie Hacks’ Grundsatz eher ein als aus: Wahrheiten können und müssen auch über das Gefühl zugänglich gemacht werden. Wohl auch deshalb wird es im Publikum hörbar still, wenn sie ihre Texte vorträgt.

Am 5. März 2010 wird Heidi Urbahn de Jauregui 70 Jahre alt. Die gebildete Welt, die sozialisierte und kommunitäre, feiert diesen Geburtstag dankbar. Für sie grüßen nach Montpellier, verehrend

Constanze und Dieter Kraft

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